Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. FthenakisEhrenvorsitzender der Griechischen Akademie e.V.

Die Griechische Akademie e. V. als Ort der Begegnung und des Austausches

In der neugriechischen Geschichte gibt es kaum ein Land mit dem so enge politische und kulturelle Beziehungen gepflegt wurden, wie dies mit Bayern der Fall ist. Die Bewunderung des damaligen Prinzregenten und späteren Königs Ludwig I. der griechischen Antike gegenüber, die Errichtung des Königsplatzes in München mit den Propyläen, der Glyptothek und der Antiken Sammlung sind lebendige Zeugnisse einer einzigartigen Beziehung, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Die Entwicklung des griechischen Staats nach der Revolution vom 21. März 1821 verdankt Bayern wesentliche Impulse bei der Entwicklung seiner Verwaltung, der Gesetzgebung, der Kunst und Kultur. Heute noch schmücken architektonische Glanzleistungen das Bild von Athen. Andererseits gibt es kaum eine andere Stadt in Europa, in der sich die Griechen so heimisch fühlen, wie beim liebevoll genannten Isar Athen.

Zwei Jahrhunderte haben die Beziehungen zwischen Griechenland und Bayern beide Länder nicht nur begleitet, sondern sie auch geprägt. Es waren die revolutionären Erkenntnisse der griechischen Antike, die moderne aufklärerische Werte wie Rationalität, Kritik und demokratisches Bewusstsein geschaffen haben. In Bayern wurde diese Beziehung durch das  aufgeklärte Königtum mit Leben erfüllt und erreichte beeindruckend viele Schichten des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Krisen verändern bekanntlich die Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und verstärkt infolge ökonomischer Zwänge haben zahlreiche Griechen erneut in Bayern eine neue Heimat gefunden. Sie kamen als „Gastarbeiter“ mit ihren Familien und ihren Kindern und Bayern war wiederum das erste Bundesland, das ein für die griechischen Kinder und Jugendlichen geeignetes Bildungsangebot bereitstellte. Die Entwicklung in der Europäischen Union hat den Status der hier lebenden Griechen von dem des „Gastarbeiters“ zu dem des europäischen Bürgers verwandelt. Nach vorliegenden Erkenntnissen haben sich die griechischen Bürger in Bayern, generell in Deutschland, sehr schnell und erfolgreich integriert, ohne ihre Sprache und kulturelle Identität zu verlieren. Viele von innen sind inzwischen aktive und produktive Mitglieder der Wirtschaft, des politischen Lebens, der Wissenschaft, der Kunst und Kultur in Deutschland geworden. Mitten in Europa erleben sie, wie dieser genuin multilinguale und multikulturelle Kontinent sich verändert, sie sind Bestandteil makro- und mikrosozial verlaufender Wandlungsprozesse und sie haben ihre Orientierung in einer sich nicht prognostizierbaren Welt neu zu bestimmen. Dabei kommt ihnen ihr kultureller Hintergrund entgegen und die Sicherheit in einem Land zu leben, das dieser Kultur nach wie vor hohen Respekt zollt. In Zeiten beschleunigter Veränderungen, wie wir sie gegenwärtig erleben, sind Dialog und Austausch unverzichtbar. Beides zusammen: Die geschichtliche Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Bayern und Griechenland und der gemeinsame Aufbau des europäischen Hauses legen nahe, diesen Dialog zu verstärken und als Instrument für die weitere Festigung unserer bilateralen Beziehungen im neuen Europa zu nutzen. 

Diese und weitere Überlegungen haben zur Gründung der Griechischen Akademie e.V. geführt. Sie knüpft historisch an die vom König Ludwig I. in den 1820er Jahren errichtete Griechische Akademie für Kinder der griechischen Freiheitskämpfer und gestaltet ihr Wirken auf der Grundlage der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Zu den erklärten Zielen der Griechischen Akademie zählen insbesondere die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen aus dem Bereich der Bildung, Kunst und Kultur, der Wirtschaft und der Politik. Die Akademie begreift sich als Ort der Begegnung, des Dialogs und des politischen und intellektuellen Austausches. In der Erfüllung ihrer Aufgaben arbeitet die Akademie mit anderen Institutionen eng zusammen. Sie kooperiert mit den Vertretern des Griechischen Staates und der Bayerischen Staatsregierung, und organisiert eine Reihe von Veranstaltungen, die als Plattform der Begegnung und des Diskurses dienen.

Nie zuvor war der Dialog, die Verständigung, der Respekt und die gegenseitige Unterstützung so notwendig, wie dies gegenwärtig, am Ende des zwölfjährigen Wirkens der Akademie, der Fall ist. Damit hat sie einen erweiterten Auftrag erhalten, die Beziehungen zwischen beiden Ländern vor allem in dieser schwierigen Zeit intensiver als je zuvor zu pflegen. 

Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis

Ehrenvorsitzender der Griechischen Akademie e.V.